Gesundheitswelt der AOK Sachsen-Anhalt

Bipolare Störung

Eine etwa 35-Jährige steht vor einer Glasscheibe unnachdenklich nach draußen.d schaut

Bipolare Störung erkennen und 
behandeln

Psychische Erkrankungen, zu denen auch die bipolare Störung zählt, rücken zunehmend ins Bewusstsein unserer Gesellschaft. Und trotzdem ist das Wissen über diese Erkrankungen oft noch sehr gering, was es schwierig macht, mit Betroffenen umzugehen oder eine eventuell eigene bipolare Störung zu erkennen und zu akzeptieren. Doch wie äußert sich eine bipolare Störung genau? Wie kann man sie erkennen? Und wie wird sie behandelt? In diesem Artikel beantworten wir alle wichtigen Fragen zum Thema.

Wussten Sie schon, dass…

  • eine bipolare Störung auch manisch-depressive Störung genannt wird?
  • sich eine bipolare Störung sehr individuell äußern kann?
  • ein Leben mit den Symptomen gut möglich ist?

Bedeutung der bipolaren Störung 

Unsere Stimmungen und Launen begleiten uns durch unser Leben: Freude und Leid, gute und schlechte Laune schwanken von Zeit zu Zeit und können sich vor allem in verschiedenen Lebenssituationen stärker äußern. So ist es ganz normal, dass der Verlust eines geliebten Menschen oder das Gefühl neuer Liebe ganz gegensätzliche und intensive Gefühle in uns hervorrufen. Diese Achterbahnen, die von sanft und gemütlich bis wild und aufregend alle Formen annehmen können, sind wichtig. Denn sie spielen bei der Gestaltung unseres sozialen Umfelds, unserer Beziehungen und unserer Selbstwahrnehmung eine große Rolle.

Bei einer bipolaren Störung ist es so, dass sich die Stimmungen und Stimmungswechsel der Betroffenen nicht mehr mit ihren aktuellen Lebensumständen erklären lassen. Stattdessen treten Wechsel unabhängig von der Lebensrealität auf und sind meistens sehr intensiv.

Bipolare Störung definiert

Die bipolare Störung zählt zu den schwereren chronischen Erkrankungen der Psyche. Betroffene erfahren Stimmungsschwankungen, die von der Manie bis zur Depression reichen können und episodisch auftreten. Dabei kommen sie unabhängig von der Lebenssituation, in der sich die betroffene Person befindet, auf. Betroffene erleben mal ein übersteigertes Hochgefühl, sind überaktiv, euphorisch oder gereizt. Und dann fallen sie in eine mehr oder weniger ausgeprägte Depression und erfahren eine gedrückte Stimmung, Antriebslosigkeit und Traurigkeit. Bei der Diagnose einer bipolaren Störung wird zwischen zwei Typen unterschieden:

  • Typ 1: Manische und depressive Episoden treten im Wechsel auf. Allerdings sind die manischen Phasen deutlich ausgeprägt und können Auswirkungen auf das Umfeld der betroffenen Person haben und auch zu ernsthaften Problemen führen. Dabei kann es zum Beispiel um die Beziehung gehen oder um den Umgang mit Geld, womit auch Schulden einhergehen können.
  • Typ 2: Auch hier wechseln sich Depression und Manie ab, jedoch in einem anderen Rhythmus. Bei Typ 2 dauern die Depressionen länger, die Manie ist dafür seltener und schwächer. Man spricht dann von einer Hypomanie.
Eine etwa 23-Jährige springt freudig mit Kopfhörern auf ihrem Sofa herum.
Eine etwa 23-Jährige sitzt am Tisch und schaut lustlos auf ihr Handy.

Bipolare Störung erkennen

Eine bipolare Störung zu erkennen, ist gar nicht so einfach. Sie lässt sich nicht durch eindeutige körperliche Symptome feststellen, wie es zum Beispiel bei Bluthochdruck der Fall ist. Der medizinische Begriff „bipolare Störung“ umfasst ein breites Spektrum an Stimmungsschwankungen und -veränderungen, die bei Betroffenen sehr individuell und unterschiedlich stark ausgeprägt auftreten können. Und auch der Krankheitsverlauf kann von Person zu Person variieren. All diese Variablen ändern nichts daran, dass eine bipolare Störung eine Krankheit ist. Das bedeutet, sie kann jeden Menschen treffen, niemand ist schuld, wenn sie sich entwickelt und sie ist behandelbar. Sie kennen dieses Krankheitsbild vielleicht auch unter dem Namen manisch-depressive Störung. So wird die Erkrankung vor allem genannt, wenn sich die Phasen von Manie und Depression vermischen.

In der Medizin wird die bipolare Störung in die Gruppe der Psychosen eingeordnet, zu denen zum Beispiel auch Schizophrenie und wahnhafte Störungen gehören. Eben alle Krankheiten, bei denen Halluzinationen oder Wahn zu den häufigsten Symptomen gehören. Betroffene erfahren also starke Veränderungen in ihrer Wahrnehmung und ihrem Denken.

Ursachen und Symptome einer bipolaren Störung

Doch woher kommt eine bipolare Störung? Die Ursache liegt im Nervensystem. Das Nervensystem ist bei jedem Menschen individuell entwickelt. Zusätzlich wird es in unserem Leben durch verschiedene andere Faktoren beeinflusst. Ist das Nervensystem geschwächt und verletzlich, können diese Faktoren unter bestimmten Umständen dazu führen, dass sich eine bipolare Störung entwickelt. Solche beeinflussenden Faktoren sind:

  • Verwandtschaft

    Hier sprechen wir zwar von den Genen, allerdings nicht von einer direkten Vererbung. Die Wahrscheinlichkeit einer Erkrankung ist erhöht, wenn Sie in Ihrer direkten Verwandtschaft Menschen haben, die von einer bipolaren Störung betroffen sind.

  • Nerven

    Unsere Nerven kommunizieren untereinander durch Rezeptoren und mithilfe von Botenstoffen. Bei Betroffenen scheint es häufiger als bei Nichtbetroffenen vorzukommen, dass die Rezeptoren empfindlicher sind und die Botenstoffe nicht im üblichen Gleichgewicht vorhanden sind.

  • Körper

    Unser Körper kann auf verschiedene Einflüsse mit psychischen Erkrankungen reagieren. Zu solchen Einflüssen zählen zum Beispiel Erkrankungen der Schilddrüse, der Konsum beziehungsweise eine Abhängigkeit von Drogen wie Alkohol, aber auch spezielle Medikamente.

  • Biografie und soziales Umfeld

    Man nimmt an, dass besondere, belastende Ereignisse im Leben dazu beitragen können, dass Betroffene eher eine bipolare Störung entwickeln. Oder dass solche Ereignisse eine Störung direkt auslösen beziehungsweise ihren Krankheitsverlauf verstärken können. Zu diesen Ereignissen zählen unter anderem Traumata und schwere Erkrankungen.

Symptome einer bipolaren Störung

Die Symptome der bipolaren Störung werden entsprechend der depressiven und der leicht manischen beziehungsweise manischen Phasen unterteilt. Ist eine bipolare Störung im Entstehen, beginnt sie in mehr als der Hälfte der Fälle mit einem depressiven Lebensabschnitt. 

 

Folgende Symptome können sich in einer depressiven Phase äußern:

  • gedrückte Stimmung und der Verlust von Interesse und Freude
  • Antriebslosigkeit, Appetitlosigkeit und unspezifische Beschwerden wie Atemnot, Herzbeschwerden, Schwindel und Kopfschmerzen
  • Schlafstörungen, Konzentrations- und Denkstörungen
  • Schuldgefühle, Selbstzweifel und Suizidgedanken
  • ausdruckslose Mimik und sehr leises, verzögertes Sprechen

 

Entwickelt sich allerdings eine Manie, kommen diese Anzeichen hinzu:

  • extreme Stimmungen von übermäßiger Heiterkeit bis hin zu Gereiztheit
  • Überaktivität, vermindertes Schlafbedürfnis, vermehrter Rededrang und weniger Hemmungen
  • Tendenz zu Selbstüberschätzung und Leichtsinn

Eine manische Phase ist nicht so einfach zu erkennen wie eine depressive Phase. Sie entwickelt sich oft sehr langsam und beginnt zunächst mit gehobener Stimmung. Erfahren Betroffene eine Hypomanie, bleibt es so. Ein mögliches, aber selteneres Symptom der Manie kann Größenwahn sein. Das dadurch überhöhte Selbstbewusstsein kann außerdem mit Halluzinationen einhergehen. Betroffene glauben dann Dinge wie, dass sie übermenschliche Fähigkeiten haben, berühmt werden oder die Welt verändern.

Diagnose und Behandlung einer bipolaren Störung

Das Krankheitsbild und der Krankheitsverlauf einer bipolaren Störung ist von Mensch zu Mensch verschieden. Die manischen und depressiven Episoden können sich vermischen oder unterschiedlich lang sein. Von einigen Tagen bis, in seltenen Fällen, einigen Monaten ist alles möglich. Manche Betroffene erleben überwiegend manische Phasen, andere überwiegend depressive. Zusätzlich können zwischen Manie und Depression Phasen liegen, in denen die Stimmungslage stabil bleibt. Diese „Pausen“ dauern meist zwei bis drei Jahre. All diese Faktoren machen die Diagnose einer bipolaren Störung unter Umständen schwierig.

Eine genaue Beobachtung der Stimmungsphasen ist deshalb wichtig für die Diagnose. Vor allem, weil damit auch bestätigt wird, ob eine bipolare Störung vom Typ 1 oder Typ 2 vorliegt. Bei Typ 1 ist die Regel, dass Betroffene mindestens eine zweiwöchige manische Episode und eine depressive Episode erfahren haben. Vom Typ 2 spricht man, wenn es sich umgekehrt zeigt: mindestens eine zweiwöchige depressive Episode und eine Phase von Hypomanie oder Manie.

Wie eine bipolare Störung therapiert wird

Generell ist zu beachten, dass eine bipolare Störung als chronische Erkrankung Betroffene ihr Leben lang begleitet. Dementsprechend brauchen sie regelmäßig und langfristig Unterstützung. Die gute Nachricht: Die Symptome sind behandelbar, sodass ein Leben mit bipolarer Störung sehr gut möglich ist. Die Therapie der Erkrankung setzt sich aus kurz- und langfristigen Therapieformen zusammen und wird oft durch Medikamente unterstützt. Wie sich das Ganze zusammensetzt, orientiert sich individuell an den Bedürfnissen der Betroffenen.

Ein etwa 18-Jähriger redet mit einem Psychotherapeuten.

Die kurzfristige Akut-Therapie, mit der die Behandlung nach einer Diagnose beginnt, ist vor allem darauf ausgelegt, die aktuelle Stimmung – Manie oder Depression – zu behandeln. In einer depressiven Episode können hier zum Beispiel Stimmungsaufheller verschrieben werden.

Hat die Akut-Therapie geholfen, gehen Betroffene anschließend in eine langfristige Erhaltungstherapie über. Denn jetzt ist es wichtig, den vorherigen Therapieerfolg zu festigen, um mögliche Rückfälle und erneute Episoden zu verhindern oder zumindest hinauszuzögern. Hier wird in der Regel eine Psychotherapie mit stabilisierenden Medikamenten empfohlen. Die langfristige Therapie unterstützt Betroffene dabei, bestmöglich mit ihrer Erkrankung umzugehen und ihr Leben trotz der möglichen Einschränkungen zu bewältigen.

Leben mit bipolarer Störung

Frauen und Männer können gleichermaßen von einer bipolaren Störung betroffen sein. Allerdings spielt das Alter eine Rolle: So ist erwiesen, dass sich die Erkrankung im Erwachsenenalter meist das erste Mal zeigt. Kinder, Jugendliche und Senioren sind erheblich seltener davon betroffen. In vielen Fällen treten die ersten Anzeichen zwischen dem 20. und dem 30. Lebensjahr auf und selten davor oder nach dem 50. Lebensjahr.

Doch gerade in diesem Lebensabschnitt – vom 20. bis zum 30. Lebensjahr – gehören die Fähigkeiten, Beziehungen zu gestalten und im Beruf zu arbeiten, zu den wichtigsten überhaupt. Denn sie prägen den Platz in der Gesellschaft. Entsteht nun eine bipolare Störung, können diese beiden Faktoren von der Erkrankung stark belastet oder beeinflusst werden.

Kann man mit einer bipolaren Störung arbeiten?

Je nach Beruf und Krankheitsverlauf ist es ohne Frage möglich, dass Betroffene ohne Probleme weiterarbeiten können. Genauso ist es aber auch möglich, dass die Störung zu einer Berufsunfähigkeit führt. Unter Umständen könnte auch eine Zwischenform entstehen, bei der der Beruf der Krankheit angepasst werden muss, sodass Betroffene zum Beispiel in Teilzeit arbeiten oder auf Schichtdienst verzichten, um Stress zu reduzieren.

Kann ein bipolarer Mensch lieben?

Selbstverständlich, wie andere Menschen auch. Dabei ist es im privaten Umfeld wichtig, dass betroffene Personen offen und ehrlich mit geliebten Menschen über die Erkrankung sprechen. So erleichtern Sie Ihrem Umfeld den Umgang mit den Symptomen der Krankheit. Ihnen nahestehende Menschen können dadurch lernen, zwischen Ihrer Persönlichkeit und den Stimmungen, die durch die Krankheit ausgelöst werden, zu unterscheiden und Verständnis und Geduld aufzubringen. Gleichzeitig können wissende Angehörige die Betroffenen dabei unterstützen, die Erkrankung zu akzeptieren und die Behandlung zu verfolgen.

Zwei etwa 35-jährige Freunde sitzen im Park auf einer Bank und unterhalten sich.

Wie kann man mit bipolarer Störung leben?

Wenn Sie oder ein Mensch in Ihrem Umfeld an einer bipolaren Störung leiden, kann sich das anfühlen wie ein Leben zwischen den Extremen. Es ist sehr herausfordernd, einen Weg zu finden, damit zu leben. Manchmal entsteht das Gefühl, dass alle bisherigen Regeln und Verhaltensweisen einfach nicht mehr gelten. Was kann getan werden? Bewegen Sie diese oder ähnliche Sorgen und Fragen, wünschen Sie sich Beratung oder tiefer gehende Informationen, zögern Sie nicht. Denn das Wichtigste bei einer bipolaren Störung ist, dass Betroffene und Angehörige rechtzeitig Hilfe finden und sich gut unterstützt fühlen. Eine zeitige Akzeptanz der Erkrankung und die Inanspruchnahme professioneller Hilfen erhöhen die Heilungschancen und den Erfolg von Therapien. Somit wird es außerdem für andere Menschen leichter, mit der Herausforderung umzugehen.

Hier finden Sie Hilfe

Bei folgenden Anlaufstellen finden Sie erste Informationen und Hilfe, wenn Sie das Gefühl haben, dass Sie oder ein Mensch in Ihrem Umfeld an einer bipolaren Störung oder einer anderen psychischen Erkrankung leiden könnten:

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