Gesundheitswelt der AOK Sachsen-Anhalt

Prokrastination

Eine etwa 30-jährige Frau schaut konzentriert auf ihren Laptop.

Prokrastination: Noch normal oder schon Krankheit?

Mach ich’s heut nicht, mach ich’s morgen. Dinge verschieben – das tun wir alle. Aber solch ein Verhalten kann auch problematisch werden. Prokrastination nennt man dieses Phänomen oder umgangssprachlich auch„Aufschieberitis“. Was das genau ist und wie man es wieder in den Griff bekommt, erklären wir hier.

Wussten Sie schon, dass …

  • Prokrastination erlerntes Verhalten ist?
  • Prokrastination eine Arbeitsstörung ist?
  • es in Sachsen-Anhalt Selbsthilfegruppen für Betroffene gibt?

Wie erkennt man Prokrastination?

Alltägliches Aufschieben kennen wir alle. Es ist völlig normal, Aufgaben auch mal für den nächsten Tag liegen zu lassen. Klar kann das mitunter negative Folgen haben und zu Druck führen, zum Beispiel wenn Dinge nicht pünktlich geschehen. Damit müssen wir in diesen Fällen eben leben, auch das gehört dazu und pegelt sich in der Regel schnell wieder ein. Aber manche Menschen können nicht aufhören, Dinge zu verschieben. Es entwickelt sich ein bestimmter Leidensdruck und auch ernsthafte Probleme können Folgen dieses Verhaltens sein. Gerät es außer Kontrolle, dann kann die Diagnose Prokrastination lauten.  

Prokrastination kommt aus dem Lateinischen und heißt so viel wie „auf Morgen vertagen“. Es handelt sich um eine Arbeitsstörung. Die Krankheit ist zwar als solche nicht offiziell anerkannt, dennoch gibt es bereits die Möglichkeit, sie festzustellen und auch zu behandeln. Zwischen 7 und 20 Prozent der Bevölkerung sind von ihr betroffen – je nachdem, wie eng Prokrastination definiert wird. 

Was sind die Ursachen und Folgen von Prokrastination?

Eine Person stapelt auf einem Tisch Stifte übereinander. Daneben steht ein Laptop.

Man nimmt an, dass Prokrastination ein erlerntes Verhalten ist. Das heißt, wir können es auch nicht mehr verlernen. Und es ist auch nicht mit Nichtstun oder Faulheit vergleichbar – im Gegenteil. Es ist ein Verhalten, bei dem wir aktiv etwas tun. Und zwar etwas anderes als das, was wir eigentlich tun sollten. Das führt zu einem Teufelskreis. Denn Betroffene haben das Gefühl, anstatt der eigentlichen Aufgabe dennoch etwas Wichtiges und Sinnvolles getan zu haben.

Die Ursachen für dieses Phänomen sind nach derzeitigem Stand der Forschung enorm breit gefächert und nicht umfassend ergründet. Mögliche Ursachen, die infrage kommen, sind zum Beispiel Tagesabläufe ohne klare Termine. So einen Alltag leben etwa Studierende in einer Studien- oder Hausarbeitsphase oder manche Selbständige. Auch die Erziehung, das Elternhaus und erbliche Faktoren könnten eine Rolle spielen. Versagensängste, Depressionen und ADHS gelten derzeit als weitere mögliche Gründe für Prokrastination. 

Die Folgen für die Betroffenen können gravierend sein. Sie fühlen sich mitunter dem eigenen Prokrastinieren gegenüber hilflos und ausgeliefert. Innere Unruhe, Angst- und Druckgefühle, Schlafstörungen oder auch Verdauungsprobleme können sich einstellen. Dazu kommt, dass oft das individuelle Leistungsniveau aufgrund der Störung nicht ausgeschöpft wird, was zu Unzufriedenheit führt. Karriere und Lebensglück können betroffen sein. Und das kann bis hin zu Arbeitslosigkeit reichen. 

Wie kann man Prokrastination überwinden?

Die gute Nachricht ist: Das Phänomen ist behandelbar. In der Psychologie wird das Verhalten als nachvollziehbar erklärt, weil es kurzfristig erleichternd ist. Da es aber langfristig unangenehm wird, helfen Beratung und Ansätze aus der kognitiven Verhaltenstherapie. So kann man zum Beispiel:

  • Pausen und Belohnungen während der vorgenommenen Aufgabe einschieben
  • Rituale entwickeln
  • Planungstechniken erlernen
  • Arbeitszeitrestriktion einsetzen, das heißt, man nimmt sich bewusst weniger vor, als man eigentlich schaffen würde, um so ein Ziel zu erreichen und motiviert zu sein für mehr

Bereits kurzfristige Beratung und verhaltenstherapeutische Ansätze führen zu merklichen Verbesserungen. Dann verschwinden auch Symptome wie Unruhe und Angst. Liegen die Ursachen in anderen Krankheitsbildern, müssen diese entsprechend behandelt werden. Das Prokrastinieren als deren Begleiterscheinung schwindet dann mit zunehmendem Erfolg der Therapie.  

Welche Möglichkeiten der Selbsthilfe hat man bei Prokrastination?

Es ist auch möglich, sich selbst zu helfen. Zum Beispiel durch Austausch mit anderen, durch Teamarbeit und gegenseitige Motivation, etwa zusammen mit einer Selbsthilfegruppe. Auch die folgenden Tipps können Ihnen helfen, sollten Sie betroffen sein: 

  • Anfangen: Beginnen Sie den ersten Schritt einer Aufgabe innerhalb von 72 Stunden, nachdem Sie sich etwas vorgenommen haben. Denn die größte Hürde beim Anfangen ist der erste Schritt.
  • Sich Zeit nehmen: Planen Sie genug Zeit ein, so dass Sie Ihr Vorhaben realistisch abschließen können und nicht aufgeben müssen. Setzen Sie sich außerdem ein angemessenes Stichdatum oder eine Uhrzeit, zu der Sie fertig sein wollen.
  • Dokumentieren: Schreiben Sie die Gründe für das Prokrastinieren auf. Was machen Sie ungern? Warum? Was löst Stress aus? Versuchen Sie dann herauszufinden, was Sie anders machen können, um aus dem Prokrastinieren herauszukommen.
  • Listen schreiben: Planen Sie Ihre Aufgaben mit einer To-Do-Liste. Wichtig: Planen Sie auch Pausen ein. Und bleiben Sie dabei, diese Liste täglich weiterzuführen. Daraus kann Routine werden, die Sie wie ein Geländer durch den Tag leitet.
  • Genau planen: Planen Sie sehr exakt, zum Beispiel in Abständen von je einer Stunde – das motiviert. So zerlegen Sie auch große Aufgaben in kleine Happen, die „verdaulicher“ sind. Wenn Sie eine Aufgabe oder Pause hinter sich haben, haken Sie sie ab und führen sich so vor Augen, dass wieder ein Schritt erledigt ist. Auch Belohnungen nach getaner Arbeit und auch für Teilaufgaben erhöhen den Spaßfaktor.
  • Positiv denken: Denken Sie bewusst positiv und ohne Druck. Denken Sie zum Beispiel: „Ich kann es und ich will es schaffen.“
  • Die Folgen kennen: Machen Sie sich die Konsequenzen des Aufschiebens klar.
Ein etwa 30-jähriger Mann wäscht ab.
Eine etwa 30-jährige Frau sitzt lächelnd mit geschlossenen Augen und einer Tasse auf dem Sofa.
Eine etwa 55-jährige Frau sitzt am Tisch und macht sich Notizen. Vor ihr steht ein Laptop.
  • Priorisieren: Bringen Sie Ihre Aufgaben in eine Reihenfolge. Das Wichtige kommt zuerst.
  • Perfektionismus ablegen: Versuchen Sie bewusst, nicht perfekt zu sein. Nichts ist perfekt!
  • Sich selbst loben: Seien Sie stolz auf sich und erzählen Sie auch anderen von dem, was Sie schaffen. So bekommen Sie mehr Kraft und Zuversicht.
  • Die richtige Zeit nutzen: Nutzen Sie die Hochphasen Ihres Biorhythmus gut aus. Wer sich nachts besser konzentrieren kann, arbeitet wenn möglich zu dieser Zeit. Bei anderen ist es am Tag zu bestimmten Zeiten günstiger. Zwischendrin in den Phasen, in denen Sie weniger konzentriert sind, erledigen Sie einfachere Dinge, die Ihnen leichtfallen oder ruhen sich einfach verdientermaßen aus.
  • Sich auf eine Sache konzentrieren: Versuchen Sie, Unterbrechungen und Multitasking zu vermeiden. Sie können zum Beispiel Zeiten festlegen, zu denen Sie Ihren Posteingang checken, bewusst surfen, Telefonate erledigen oder Ähnliches. Zu anderen Zeiten stellen Sie das Telefon dann auf stumm und lassen sich voll auf Ihr To-Do ein. Auf diese Weise machen Sie nichts parallel und vermeiden unnötigen Stress.
  • Gut essen und sich bewegen: Ernähren Sie sich ausgewogen und bewegen Sie sich täglich an der frischen Luft. Das hilft, motiviert zu arbeiten und sorgt zum Beispiel dem berühmten „Mittagskoma“ vor.
  • Unterstützung suchen: Teilen Sie Ihre Ziele mit jemandem, der für Sie wie eine Mentorin oder ein Mentor ist und Sie immer wieder an diese Ziele erinnert.

Nicht aufgeben: Sie schaffen das!

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